16.02.2023

Gericht will teure Anwälte statt qualifizierte Fachleute

Seit Jahrzehnten vertreten die Fachleute von Verbänden und NGOs wie dem HEV oder dem MV Basel ihre Mitglieder bei Baurekursen. Sie tun dies kostengünstig und zur vollen Zufriedenheit der Rekursinstanz. Nun verbietet das Verwaltungsgericht den Verbänden ihre qualifizierte Arbeit und zwingt Verbands-Mitgliedern den teuren Gang zu Advokaturbüros auf.

Von allen Seiten gab es bisher nur Lob. «Durchaus bewährt» habe sich «die langjährige Praxis, den Mieterinnen- und Mieterverband Basel (MV) als Parteivertreter zu akzeptieren», schrieb sogar der Präsident der Baurekurskommission in seiner Stellungnahme ans Verwaltungsgericht. Doch dieses lässt ich nicht beirren und verbietet dem MV Basel 1891 im heute zugestellten Grundsatzentscheid, das zu tun, was der Mieterverband seit den 1980er Jahren tut: seine Mitglieder qualifiziert und kostengünstig bei Baurekursen zu vertreten.

Nach Jahrzehnten unvermittelt eine Praxisverschärfung

Seinen vom 6. Februar 2023 datierten Entscheid will das Dreiergericht auf eine Bestimmung des Basler Advokaturgesetzes gestützt wissen. Offenbar hatte ein Architekt vor der Kommission berufsmässig Bauherren vertreten und Honorare kassiert, was aber – soweit seine Vertretungen «entgeltlich» seien – Anwältinnen und Anwälten vorbehalten sei, so die Baurekurskommission.

Davon erfuhr der MV Basel erst, als er selber in anderer Sache für renditesanierungs-gefährdete Mietparteien Rekurs erhob: Da verbot ihm die Baurekurskommission solche Vertretung. Von der Praxisverschärfung erfuhr der MV demnach ohne jede Vorankündigung.

Weises Gericht: Unentgeltlich = entgeltlich

Gegenüber der Kommission und dem Gericht argumentierte der MV Basel in guten Treuen, er vertrete seine Mitglieder niederschwellig und im Rahmen bescheidener Mitgliedbeiträge, manchmal ergänzt um einen ebenso bescheidenen Selbstbehalt. Dies mit fetten Architektenhonoraren zu vergleichen erscheine unpassend.

Doch das oberste Gericht zeigt sich hier kreativ. Dass das Advokaturgesetz explizit Entgeltlichkeit verlangt, also wohl kommerzielles Verhalten, übergeht das Gericht geflissentlich. Stattdessen schreibt es rabulistisch über den MV Basel 1891: «Sebst wenn er die Prozessvertretung auch an einzelne Nicht-Mitglieder des Verbands erbringen sollte, ändert das nichts daran, dass er diese Dienstleistung als in einem Gesamtpaket enthaltenen Angebot bewirbt, wofür die Miglieder einen Beitrag von CHF 85.– jährlich bezahlen.»

Lob der Kommission – Formalismus des Gerichts

Letztlich soll das Anwaltsmonopol und somit die Praxisverschärfung «die Anforderungen an die Anwälte hinsichtlich ihrer Ausbildung und weiterer persönlicher Eigenschaften wie ihrer finanziellen Situation oder dem Fehlen bestimmter strafrechtlicher Verurteilungen» gewährleisten, deshalb «im Interesse der vertretenen Parteien» erfolgen und «Schutzwirkung entfalten» gegenüber «Vertretern, die diesen Ansprüchen nicht genügen».

Diese formalistische Betrachtungsweise steht im Gegensatz zu den lobenden Worten sogar des Präsidenten der Baurekurskommission selbst – auf die das Gericht mit keinem Wort eingeht – und auch im Gegensatz zu der tadellosen und nie kritisierten Vertretungstätigkeit der Fachleute von Verbänden und NGOs wie dem MV Basel in all den Jahrzehnten.

Weitere Verbände, NGOs und Gewerkschaften betroffen

«Teures Anwaltsmonopol statt qualifizierte Verbandsvertretung?» Dies ist eine zu grundlegende Frage, als dass der Verwaltungsgerichtsentscheid telquel akzeptiert werden könnte. Auf NGO-Seite werden daher Chancen und Möglichkeiten eines Weiterzugs ans Bundesgerichts genau geprüft werden. Die Einsprachefrist beläuft sich wie üblich auf 30 Tage.