26.12.2021
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MV  | 
Medienmitteilung

Der Schuh der Mieter*innen drückt

Eine schweizweite Umfrage des Mieterinnen- und Mieterverbands (MV) zeigt, dass über 70 % der Mieter*innen Probleme im Mietverhältnis haben oder hatten. Drei Viertel hatten Schwierigkeiten, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Das Machtgefälle zwischen Vermieterseite und Mieterseite führt dazu, dass sich Mieter*innen oft nicht wehren, auch wenn sie rechtlich die Möglichkeit dazu hätten. Die Befragten wünschen sich grossmehrheitlich griffige Regelungen zur Bekämpfung der steigenden Mieten und einen besseren Mieterschutz.

Das Forschungsinstitut Sotomo hat im Auftrag des Mieterinnen- und Mieterverbandes (MV) schweizweit eine repräsentative Umfrage durchgeführt: Mehr als 18‘000 Mieter*innen haben dabei zu ihrer Mietsituation, ihren Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt und ihren mietpolitischen Anliegen Auskunft gegeben.
 

Hoher Problemdruck

Rund drei Viertel der Mieter*innen hatten bei der Wohnungssuche Probleme, eine bezahlbare oder geeignete Wohnung zu finden. Die Probleme zeigen sich in städtischen und ländlichen Gebieten, sind aber in den Grossstädten noch akzentuiert. Über 70 % der Mieter*innen haben oder hatten zudem Probleme im Mietverhältnis wie z.B. beim Unterhalt der Wohnungen, bei Mängeln oder im Zusammenhang mit Sanierungen. Ein hoher Anteil der Probleme bleibt ungelöst.

Strukturelles Machtgefälle im Mietverhältnis

Mieter*innen gewichten ein gutes Verhältnis zur Vermieterschaft als sehr wichtig. Das bedeutet auch ein starkes Abhängigkeitsverhältnis in Mietverhältnissen hin, wo die Mieterseite gegenüber der Vermieterseite die schwächere Partei ist. Dieses Abhängigkeitsverhältnis zeigt sich z.B. bei der Angst vor einer Kündigung der Wohnung, die von den Befragten als sehr belastend wahrgenommen wird.

Das strukturelle Machtgefälle zwischen Vermieterseite und Mieterseite führt dazu, dass sich Mieter*innen oft nicht wehren oder ihre Ansprüche nicht geltend machen, auch wenn sie rechtlich die Möglichkeit dazu hätten. Dies zeigt sich beispielsweise darin, dass vier von zehn Befragten ihren Anspruch auf eine Mietzinssenkung bei der Senkung des Referenzzinssatzes nicht einforderten wegen Bedenken, dass sich das Verhältnis zur Vermieterschaft verschlechtern könnte oder ein Konflikt mit der Vermieterseite vorprogrammiert wäre. Gleichzeitig kommen Vermieter*innen den Mieter*innen nur in sehr seltenen Fällen «freiwillig» entgegen (z.B. gaben nur 6 % der Vermieter*innen die Mietzinssenkung automatisch weiter).

In denjenigen Fällen, in denen sich die Mieter*innen wehren, erhalten sie häufig Recht: Bei der Anfechtung des Anfangsmietzinses haben die Mieter*innen in 67 % bzw. 82 % der Fälle (teilweisen) Erfolg. Bei der Senkung des Referenzzinssatzes sind Wohnungsmieter*innen in 63 % der Fälle erfolgreich.

Hohe Zustimmung für Verbesserungen im Mieterschutz

Das Mietrecht verlangt heute, dass Mieter*innen selbst aktiv werden, um zu ihrem Recht zu kommen. Mieter*innen wünschen sich aber prioritär rechtliche Verbesserungen, welche automatisch gelten oder Dritte mit der Kontrolle beauftragen. Damit würde für die Mieter*innen das Risiko, auf individueller Ebene das Verhältnis zur Vermieterschaft zu gefährden, wegfallen. Eine hohe Zustimmung haben z.B. eine automatische Weitergabe der Mietzinssenkung, eine automatische Offenlegung des Mietzinses der Vormieterschaft oder eine Kontrolle der Rendite der Vermieterschaft (Mietpreiskontrolle). Konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Mieterschutzes finden bei den Befragten ebenfalls eine sehr hohe Akzeptanz, so u.a. ein besserer Kündigungsschutz (z.B. bei Sanierungen).

Die Resultate zeigen den Handlungsbedarf für Verbesserungen beim Mieter- und Wohnschutz klar auf. Zurzeit laufen aber Bestrebungen zur Einschränkung der Untermiete oder einfacheren Kündigungen beim Eigenbedarf, was die Abhängigkeit der Mietenden von der Vermieterseite noch verstärken würde.