Neue Ungerechtigkeiten? Nein!
Von der Abschaffung des Eigenmietwerts profitieren wenige. Die hohen Steuerausfälle zahlen alle. Diese Reform schafft nur noch mehr Ungerechtigkeiten und gehört abgelehnt.
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- Linda De Ventura, Präsidentin MV Schaffhausen
In Bundesbern scheint es unmöglich zu sein, das drängendste Wohnproblem anzupacken: Mieter*innen bezahlen jedes Jahr rund 10 Milliarden Franken zu viel, weil Immobilienkonzerne überhöhte Renditen durchsetzen. Seit Jahren blockieren FDP, Mitte und SVP jede Verbesserung – mit der Folge, dass immer mehr Menschen kaum noch bezahlbare Wohnungen finden.
Statt Lösungen für Mieter*innen zu schaffen, will das Parlament nun bei den Liegenschaftssteuern das System umstellen – so, dass vor allem die reichsten Immobilienbesitzer*innen finanziell profitieren. Die Folge dieser Vorlage ist klar: Jeder Haushalt muss mit mindestens 500 Franken zusätzlichen Steuern pro Jahr rechnen. Das ist inakzeptabel.
Wer ein Eigenheim besitzt, gehört meist zu den Besserverdienenden: Acht von zehn Haushalten mit über 175’000 Franken Einkommen leben im Eigenheim. Unter 80’000 Franken Einkommen sind dagegen bereits 60% Mieter*innen – für sie bringt die Reform nichts. Auch wer von Wohneigentum träumt, geht leer aus: Vor 20 Jahren konnte sich noch die Hälfte der Haushalte ein Eigenheim leisten, heute sind es nur noch 10%. Es ist nicht der oft tief angesetzte Eigenmietwert, der den Erwerb von Eigentum je länger, je mehr verunmöglicht. Es sind die Immobilienpreise, die sich in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt haben. Fällt der Eigenmietwert weg, entfallen folgerichtig auch die Abzüge für Unterhalt und Hypothekarzinse. Abzüge für Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen sollen künftig nur noch kantonal gelten, wobei jeder Kanton selbst entscheidet, ob solche Abzüge gewährt werden. Am meisten profitieren werden darum Menschen mit neuem oder gut renoviertem und energetisch saniertem Wohneigentum und einer tiefen Hypothek.
Alle anderen Eigentümer*innen hätten überraschend wenig von dieser Systemumstellung. Besitzt man eine Wohnung oder ein Haus, wo regelmässig Unterhaltsarbeiten anfallen, oder hat man hohe Hypotheken, sind die Steuerabzüge im jetzigen System schnell höher als der Eigenmietwert. In diesem Fall bedeutet eine Systemänderung nicht weniger Steuern, sondern mehr! Diese Reform schafft also auch neue Ungerechtigkeiten unter den Eigentümer*innen selbst.
Die Reform reisst ein Loch von rund 2 Milliarden Franken jährlich in die Haushalte von Bund, Kantonen und Gemeinden. Es drohen deshalb Kompensationen in Form von Steuererhöhungen – im Tessin um 7,5%, in Appenzell Ausserrhoden um 3%, im Wallis um 4,5%. Zürich allein rechnet mit Steuerausfällen von 300 Millionen Franken. Eine durchschnittliche Familie muss mit mindestens 500 Franken Mehrbelastung rechnen – ohne dass sie überhaupt ein eigenes Haus besitzt, ohne mit einem einzigen Franken von dieser Systemumstellung zu profitieren.
Hinzu kommt: Ohne Abzüge für Unterhalt und Sanierungen werden Investitionen in die Energieeffizienz und Unterhaltsarbeiten unattraktiver. Das bremst die Klimawende und schwächt das lokale Bau- und Sanierungsgewerbe. Darum warnen Branchenverbände wie ≪Bauenschweiz≫ vor der Vorlage. Sie befürchten weniger Aufträge und eine Zunahme der Schwarzarbeit, was zu noch mehr Steuerausfällen führen würde. Auch der Städteverband, die Konferenz der Kantonsregierungen, mehrere grosse FDP-Sektionen oder der Hauseigentümer* innenverband ≪Casafair≫ sprechen sich klar dagegen aus. Und sogar die Gemeindepräsident* innen von Ferienorten im Berggebiet empfehlen diese Reform zur Ablehnung, obwohl man den Kantonen neu ermöglichen will, eine Objektsteuer auf selbstgenutzte Ferienwohnungen einzuführen. Für sie bringt dies eine zu hohe politische und finanzielle Unsicherheit, zu viel Bürokratie und viel zu hohe Steuerausfälle.
Auch das heutige System ist nicht perfekt. So haben einige Rentner*innen Mühe, den Eigenmietwert zu versteuern. Deshalb gibt es in vielen Kantonen Härtefallregelungen und Unternutzungsabzüge. Die SP hat sich in Bundesbern – bisher leider erfolglos – für eine Härtefallregelung auf nationaler Ebene eingesetzt, um dieses punktuelle Problem zu entschärfen.
Fazit: Diese Reform ist ungerecht, teuer und schadet langfristig allen – ausser den Reichsten. Nicht ohne Grund haben die Befürworter*innen ein Kampagnenbudget von 7 Millionen Franken. Diese Vorlage begünstigt jene, die es am wenigsten nötig haben, gefährdet die Energiewende und reisst ein Milliardenloch in die öffentlichen Kassen. Die Zeche zahlen Mieter*innen, die bereits jetzt ökonomisch und rechtlich massiv schlechter gestellt sind als die Wohneigentümer* innen – mit höheren Steuern und noch höheren Immobilienpreisen. Diese Vorlage gehört abgelehnt.
Text: Linda De Ventura, Präsidentin MV Schaffhausen und Nationalrätin
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