30.01.2018

Deshalb bekämpfen wir die parlamentarische Initiative Egloff

SVP-Nationalrat und HEV-Präsident Hans Egloff will mit einer parlamentarischen Initiative die Möglichkeit zur Anfechtung des Anfangsmietzinses einschränken. Das sind die Gründe dagegen.

1. Das Recht zur Anfechtung eines missbräuchlichen Mietzinses und die Initiative Egloff

Gemäss heutigem Recht kann eine Mietpartei einen Anfangsmietzins anfechten, wenn dieser erheblich erhöht wurde oder wenn der Mieter aus persönlichen oder familiären Gründen dazu gezwungen war oder wenn Wohnungsnot herrscht. Die parlamentarische Initiative Egloff 16.451 würde diese Möglichkeit massiv einschränken: Für eine Anfechtung müsste stets eine persönliche oder familiäre Notlage nachgewiesen werden. Dies würde den individuellen Schutz gegen Missbräuche beschneiden wie er vom Gesetz vorgesehen ist. Mieterinnen und Mieter müssen gegen überhöhte Mieten vorgehen können, egal ob sie in einer Not sind oder nicht.

Die geltenden Regelung hat auch eine präventive ökonomische Wirkung: Sie lädt die Vermieterschaft dazu ein, bei der Festsetzung der Mietzinse Augenmass anzuwenden und die Mietzinse bei einer Wiedervermietung nicht zu stark zu erhöhen. Die Möglichkeit zur Anfechtung des Anfangsmietzinses beweist auch eine wichtige präventive Funktion für den ganzen Mietmarkt. Sie verhindert im Voraus potentielle Missbräuche und hilft mit, den generellen Anstieg der Mieten abzuflachen.

2. Die Verfassung gibt den Einsatz gegen missbräuchliche Mieten vor

Die Verfassung beauftragt den Gesetzgeber «Vorschriften gegen Missbräuche im Mietwesen, namentlich gegen missbräuchliche Mietzinse» (Art. 109, Abs. 1 BV) zu erlassen. Die Vorschrift macht keinen Unterschied zwischen dem Beginn eines Mietvertrages und einem laufenden Mietverhältnis und man kann sich fragen, ob die Bedingungen, welche in Art. 270 des OR zur Anfechtung eines Anfangsmietzinses gestellt werden, überhaupt einen genügenden Schutz gegen Missbräuche im Sinne der Verfassung garantiert. Eine weitere Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten kommt einem Angriff gegen den Auftrag zur Bekämpfung missbräuchlicher Mieten gleich, wie er in Art. 109 Abs. 1 der Bundesverfassung festgeschrieben ist. 

3. Das Gesetz erlaubt eine Anfechtung des Anfangsmietzinses innert 30 Tagen

Die Gesetzgebung zu den missbräuchlichen Mieten will verhindern, dass ein Vermieter zum Nachteil der Mietpartei einen übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt (Prinzip der Kostenmiete). Die Anfechtung des Anfangsmietzinses war zwar immer wieder umstritten, aber sie ist schon lange Bestandteil des Mietrechts. Zu Recht hielt der Bundesrat schon in den 1970er Jahren fest, dass die massivsten Mietzinserhöhungen bei Mieterwechsel vorgenommen würden und bei einer Abschaffung der Anfechtungsmöglichkeit eine Lücke entstehen würde, die den Vermietern die Festsetzung von missbräuchlichen Mietzinserhöhungen ermöglichen würde.

Artikel 270 OR

Anfechtung des Mietzinses  - I. Herabsetzungsbegehren

1. Anfangsmietzins

1 Der Mieter kann den Anfangsmietzins innert 30 Tagen nach Übernahme der Sache bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich im Sinne der Artikel 269 und 269a anfechten und dessen Herabsetzung verlangen, wenn:

a. er sich wegen einer persönlichen oder familiären Notlage oder wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume zum Vertragsabschluss gezwungen sah; oder

b. der Vermieter den Anfangsmietzins gegenüber dem früheren Mietzins für dieselbe Sache erheblich erhöht hat.

Die PI Egloff will die Anfechtungsmöglichkeit im Falle von Wohnungsnot und erheblicher Erhöhung des Mietzinses streichen, und so die Bekämpfung von Missbräuchen, die leider oft vorkommen, unverhältnismässig stark einschränken. 

4. Die parlamentarische Initiative höhlt das Mietrecht aus

Im Übrigen sind die Regeln zur Berechnung einer Missbräuchlichkeit dieselben, egal ob es sich um ein laufendes oder ein neues Mietverhältnis handelt. Die fortlaufenden Missbräuche auf dem Wohnungsmarkt haben den Gesetzgeber seit langer Zeit davon überzeugt, dass die Mietenden einen Schutz brauchen. Die Erfahrungen des Mieterinnen- und Mieterverbands zeigen, dass viele Erhöhungen ohne irgendwelche Investition oder gar Unterhaltsarbeiten erfolgen. Die Möglichkeit zur Anfechtung des Mietzinses ist ein Mittel zur Korrektur, um exzessive Mietzinsaufschläge zu verhindern oder zu begrenzen.

Die Initiative von Nationalrat Hans Egloff (SVP) will die konstante Rechtssprechung des Bundesgerichts abschaffen, das eine Anfechtung gemäss heutigem Gesetzestext nach einem der drei Kriterien zulässt. Er will zurück zur Rechtssprechung der Zürcher Gerichte, welche stets das Vorliegen einer Notlage verlangten, bis das Bundesgericht diese gesetzeswidrige Praxis stoppte. Zu Recht: Denn diese Einschränkung hat zur Folge, dass die Situation der Mietenden massiv verschlechtert wird, vor allem für Menschen aus der Mittelklasse, die keine Notlage nachweisen könnten und deshalb keinen Anfangsmietzins mehr anfechten könnten.

5. Der Nachweis einer Notlage verursacht Bürokratie und Unsicherheit.

Die parlamentarische Initiative will einzig noch die persönliche oder familiäre Notlage als Anfechtungsgrund zulassen, doch dieser Begriff ist im Gesetz nicht klar definiert. Wird er zum einzigen Kriterium, so sind vermehrte juristische Auseinandersetzungen an den Schlichtungsstellen und Gerichten zur Klärung zu erwarten, ob eine Klage zugelassen wird oder nicht. Es wird an den Richterinnen und Richtern liegen, diesen Begriff genauer zu definieren. Die Folge sind Rechtsunsicherheit und mehr Bürokratie.

6. In der Praxis werden nicht viele Anfangsmieten angefochten

Der häufigste Anfechtungsgrund ist eine massive Erhöhung des Mietzinses. Deshalb muss die Möglichkeit, bei einer erheblichen Erhöhung den Anfangsmietzins anfechten zu können, unbedingt erhalten bleiben.

Allgemein werden Anfangsmieten nur mit Zurückhaltung angefochten. Aber die bestehenden Anfechtungsfälle zeigen, dass es schwerwiegende Missbräuche gibt, gegen die es unabhängig von der persönlichen Situation der Mietpartei eine Handhabe braucht.

Pro Jahr ziehen rund 300'000 Mieterhaushalte um. Nur 0,3 Prozent von ihnen (925 Fälle) haben 2015 ihren Anfangsmietzins angefochten. Diese tiefe Zahl macht deutlich, dass die Mieterinnen und Mieter nur bei starken Erhöhungen intervenieren und es zeigt sich ebenfalls, dass viele Vermieter nach einer Anfechtung die Miete reduzieren, da sie den massiven Mietzinsaufschlag nicht rechtfertigen können.

6. Grünes Licht für alle Exzesse?

Im Sommer 2016 hat das Bundesparlament die Transparenz bei den Vormieten abgelehnt und damit eine kleine Verbesserung des Mietrechts verunmöglicht. Die Mittelklasse würde es nicht begreifen, wenn jetzt das einzige Mittel zur Bekämpfung von Missbräuchen trotz Wohnungsnot in den Agglomerationen so drastisch eingeschränkt würde. Viele würden dies als grünes Licht für jede Art von Missbrauch im Bereich der Mieten verstehen.