03.07.2020

Pflanzen selber vermehren

In unserer Serie «Gärtnern mit nichts» zeigt die Gartenexpertin Sabine Reber, wie wir mit wenig Ressourcen viel aus unserem Garten oder unserem Balkon herausholen können.

Gärtnern, ohne etwas zu kaufen – das war früher normal. Während des Lockdowns ist vielen von uns bewusst geworden, wie sehr wir gerade im Garten von gekauften Produkten abhängig geworden sind. Dabei lässt sich in der Pflanzenanzucht sehr vieles selber machen, so wie es früher in den Bauerngärten üblich war. Hier die Basics der Pflanzenvermehrung, von den Recycling-Saatschalen über die selbergemachte Aussaaterde bis zu den richtigen Stecklingen und Samen.

Geeignete Gefässe

Um eigene Pflanzen heranzuziehen, brauchen wir zuerst einmal geeignete Gefässe. Die finden wir in der Küche: Früchteschalen, Joghurtbecher und alle möglichen anderen Gefässe lassen sich bestens für die Pflanzenanzucht verwenden. Früher, als ich noch rauchte, habe ich jeweils mit einer brennenden Kippe ein Loch in die Plastikbecher gebrannt. Ein Streichholz erfüllt den Zweck auch. Wichtig ist, dass alle Becher ein Abzugsloch haben. So kann überschüssiges Giesswasser abfliessen und die jungen Pflanzen verfaulen nicht. Besonders praktisch zur Aussaat von kleinen Samen sind Eierkartons. Diese brauchen keine Abzugslöcher, weil sie durchlässig sind. Und das Beste daran: Sobald die Sämlinge gross genug sind, können sie direkt mit dem Karton in den Garten gepflanzt werden. Einfach die einzelnen Abteile auseinanderschneiden. Der Karton zersetzt sich genauso wie die üblichen Kokosfaser-Gefässe aus dem Fachhandel.

Aussaaterde

Aussaaterde lässt sich ganz einfach selber herstellen: Gartenerde mit einem alten Küchensieb auf ein Kuchenblech sieben, nur etwa eine ein Zentimeter dicke Schicht auf einmal. In den Backofen schieben und bei etwa 150 Grad eine halbe Stunde lang erhitzen. Dann sind die meisten Krankheitserreger und allfällige Samen von Beikräutern sterilisiert. Das ist bei Anzuchterde wichtig. Ausserdem gilt: Anzuchterde darf nicht zu viele Nährstoffe enthalten. Darum solltet ihr für Aussaaten niemals Kompost verwenden, sondern nur normale Gartenerde. Bei Sämlingen, die auf zu viel Feuchtigkeit empfindlich reagieren, kann die gebackene Gartenerde bis zur Hälfte mit Sand gemischt werden.

Mini-Gewächshäuser

Plastikbehältern, in denen Früchte verkauft werden, eignen sich gut als Mini-Gewächshäuser.
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Plastikbehältern, in denen Früchte verkauft werden, eignen sich gut als Mini-Gewächshäuser.

Viele Sommerblumen und besonders auch die mediterranen Gemüse wie Tomaten, Peperoni, Auberginen und Chilis keimen am besten bei etwa 20 Grad. Das heisst, diese Samen sollten zu Beginn idealerweise in einem Mini-Gewächshaus auf einen hellen Fenstersims gestellt werden. Um das besonders geeignete feucht-warme Klima eines Gewächshauses zu imitieren, eignen sich die Plastikbehälter, in denen Erdbeeren und andere Früchte verkauft werden. Da ist der Gewächshaus-Deckel gleich inbegriffen. Sie lassen sich übrigens immer wieder verwenden!

Das richtige Saatgut

Nun fragt sich, was man überhaupt säen kann und was nicht. Zum Beispiel scheint es am Anfang verlockend, die Samen aus einer gekauften Cherry- Tomate herauszukratzen und sie in ein Töpfchen mit Erde zu geben. Auch Peperoni und andere gekaufte Gemüse enthalten Samen. Aber Achtung: Bei diesen Pflanzen handelt es sich meistens um Hybriden. Die sind so gekreuzt, dass man sie nicht selber aus Samen weitervermehren kann. Ausserdem sind die Samen von herkömmlichem Gemüse oft gar nicht reif, oder das Gemüse wurde stark gekühlt und gelagert, sodass die Samen nicht mehr keimfähig sind. Diese Versuche lohnen sich also nicht. Auch wenn ein Pflänzchen daraus wächst, wird es dann im Sommer kaum die ersehnten Cherrytomaten tragen. Wer eigene Tomaten kultiviert, und zwar die alten, herkömmlichen Sorten, wie sie von Pro Specie Rara verkauft werden, kann davon Samen aufbewahren und diese im Frühling wieder aussäen. Es ist auch möglich, aus Pro-Specie-Rara-Sorten, die in der Gemüseabteilung gekauft wurden, Saatgut zu gewinnen. Bei allen modernen Hybrid-Züchtungen sollte man aber im Frühling neues Saatgut kaufen. Für den Anfang ist es oft auch besser, erst einmal mit Setzlingen zu beginnen. Damit ist ein erster Ernte-Erfolg schon bald in Reichweite.

Wie ist das mit den Eisheiligen?

In der ersten Maihälfte können die meisten Kräuter, Salate, Kohlrabi, Radieschen, die meisten Wurzelgemüse und viele Blumen schon direkt im Garten gesät werden. Ins Gewächshaus oder auf einen warmen Fenstersims gehören Gurken, Tomaten, Kürbisse, Buschbohnen sowie viele einjährige Sommerblumen wie Kosmeen, Kapuziner und Zinnien. Diese Setzlinge werden traditionellerweise immer erst Mitte Mai – wenn die Eisheiligen vorüber sind – in den Garten ausgepflanzt. Auch alle anderen selber gezogenen Setzlinge kommen dann nach draussen an ihren definitiven Standort. Jedoch: Je nach Lage und Mikroklima lässt sich – wegen der Klimaerwärmung – auch schon früher auspflanzen. Im Zweifelsfall sollte man noch etwas Frostschutzvlies für kalte Nächte bereithalten.

Vegetative Pflanzenvermehrung

Beim Pflanzenvermehren denken die meisten von uns ans Säen. Das ist für ein-und zweijährige Pflanzen der richtige Weg. Mit Einjährigen und Zweijährigen sind diejenigen Pflanzen gemeint, die wachsen, blühen, Samen bilden und dann wieder eingehen. Basilikum, Tomaten und die meisten Sommerblumen sind Einjährige. Zweijährige sind zum Beispiel Stiefmütterchen oder Vergissmeinnicht, die im ersten Jahr wachsen, im zweiten Jahr blühen und dann eingehen. Es gibt aber auch viele mehrjährige krautige Stauden, deren Wurzeln überwintern und die jeden Frühling wiederkommen. Sie lassen sich gut durch Stecklinge oder die Teilung der Wurzelballen vermehren. Viele beliebte Küchenkräuter gehören zu den mehrjährigen Stauden: Minze, Melisse, Maggikraut, Meerrettich, aber auch Gemüse wie Rhabarber oder Artischocke. 
Die Wurzelballen zu teilen ist die einfachste Vermehrungsart. Es braucht nur etwas Mut. Denn die ganze Pflanze muss ausgegraben werden. Dann schneidet man den Wurzelballen in vier Teile. Diese werden einzeln wieder eingetopft und gut angegossen. Sie wachsen dann zu vier neuen Pflanzen heran.
Stecklinge von Mehrjährigen zu schneiden lernt man am besten mit der gewöhnlichen Minze. Hiervon werden einige Zweiglein in ein Wasserglas gestellt, dann könnt ihr beobachten, wie die Wurzeln wachsen. Halbsträucher und Gehölze lassen sich grundsätzlich immer durch Stecklinge vermehren. Zum Beispiel kann man vom Rosmarin oder vom Lavendel ein paar Zweiglein abschneiden, die Blätter an der unteren Hälfte entfernen, und die Zweige in feuchte Erde stecken. Auch alte Rosensorten sowie die meisten blühenden Sträucher lassen sich durch Stecklinge vermehren.