30.04.2019
-
M+W  | 
News

Ungleiche Chancen

Wer einen fremd klingenden Namen hat, hat es schwerer auf dem Wohnungsmarkt. Das beweist eine neue Studie.

Es war immer wieder zu hören. Doch meist fehlt der konkrete Beweis. Als M+W im September 2009 den Fall einer exjugoslawischen Familie aufrollte, die eine Wohnung offenkundig nur wegen ihrer Herkunft nicht bekam, hiess es: Das ist ein Einzelfall! Leider nicht. Jetzt beweist eine Studie, dass es ethnische Diskriminierung auch auf dem Schweizer Wohnungsmarkt gibt. Oder mit anderen Worten: Wer zum Beispiel einen kosovarischen oder türkischen Namen trägt, hat signifikant weniger Chancen, zu einer Besichtigung eingeladen zu werden.

Dies ist das Fazit eines Berichts, den das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bei einem Forscherteam der Universitäten Neuenburg, Lausanne und Genf in Auftrag gegeben hat. Und so ist das Team vorgegangen: Es hat zwischen März und Oktober 2018 über 11'000 Anfragen an gut 5700 Vermieterinnen und Vermieter in allen Teilen der Schweiz verschickt. Sowohl in Ballungszentren als auch in eher ländlichen Regionen. Die Anfragen waren natürlich fiktiv, und die anfragenden Personen auch. Wichtig waren nur die Namen. Und die hiessen dann etwa Berisha, Krasniqi und Gashi, um eine kosovarische Herkunft zu signalisieren, oder Celik, Kaya oder Yilmaz, um eine türkische Abstammung anzuzeigen. Dies kontrastierte dann mit anderen Nachnamen aus der Schweiz (z.B. Aebischer, Gerber, Steiner), aus Deutschland (Hoffmann, Schulz, Wagner) oder aus Frankreich (Aubry, Gaillard, Rochat).

Es ist der Name, der zählt

Die Rückmeldungen der Vermieter wurden verglichen und ausgewertet. Es kamen verschiedene Muster zum Vorschein. Eines war, dass Bewerberinnen und Bewerber mit Namen aus dem Kosovo oder der Türkei weniger häufig zur Wohnungsbesichtigung eingeladen werden, als dies bei Bewerbungen der Fall ist, die auf eine Herkunft aus der Schweiz oder einem der Nachbarländer schliessen liessen. «Da die Personen abgesehen von ihrem Namen dieselben Eigenschaften besassen, kann gefolgert werden, dass es sich um ethnische Diskriminierung auf Grund ihres Namens handelt», hält das Forscherteam fest. Dabei spiele es keine wesentliche Rolle, ob die Personen mit ausländischen Namen eine ausländische Staatsbürgerschaft hatten oder ob sie eingebürgerte Schweizerinnen und Schweizer waren. Der rote Pass nützt also nichts. Wenn man einen fremd klingenden Namen hat, hat man bei der Wohnungssuche allein deswegen schon Nachteile.

Ob auch andere Nationen – zum Beispiel aus Asien oder aus Südamerika – zur Diskriminierung führen, bleibt offen. Solche waren im Versuch nicht berücksichtigt. Das statistische Ausmass der Diskriminierung ist etwa gleich gross wie in andern Staaten. Dies hat das Forscherteam überrascht, denn die meisten anderen Staaten kennen im Gegensatz zur Schweiz Gesetze gegen Diskriminierung. Offensichtlich ist deren Wirkung beschränkt, fehlbare Vermieter haben kaum etwas zu befürchten. Die Studie stellt auch fest, dass ethnische Diskriminierung auf dem Land grösser ist als in der Stadt. Am grössten ist sie in Gemeinden, in denen eine restriktive Stimmung gegenüber Personen aus dem Ausland herrscht.

Über die Studie

Daniel Auer, Julie Lacroix, Didier Ruedin, Eva Zschirnt: «Ethnische Diskriminierung auf dem Schweizer Wohnungsmarkt». Herausgegeben vom Bundesamt für Wohnungswesen.

Die Studie kann unter diesem Link beim BWO gratis heruntergeladen werden.