10.09.2018
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Viel Frust aus Bern

Ohne Wimpernzucken geht das Parlament auf Kollisionskurs mit den Mietenden. Eine Mehrheit verkennt den wohnpolitischen Ernst der Lage.

Die «bad news» aus Bern häufen sich. Anfang Juli hiess die Rechtskommission des Nationalrats mehrere Vorstösse der Hauseigentümerlobby gut. Diese wollen den Mieterschutz abbauen. Mitte August verschob dann die zuständige Kommission die Behandlung der Wohninitiative. Das Fazit im Parlament lautet: Während die Vermieter gehört werden, blitzen die Mietenden ab. Wenigstens hat die Rechtskommission des Ständerats die HEV-Initiativen nicht einfach durchgewunken, sondern einen Bericht über die Folgen angefordert. Im Bundesrat sieht es nicht viel besser aus. Dieser lehnt bekanntlich die Wohninitiative ab. Ohne Gegenvorschlag. Aber nicht genug: Er setzt noch einen drauf und verknüpft die Initiative mit dem Wohnbaufonds der Gemeinnützigen. Der Fonds soll nur weitergeführt werden, wenn die Initiative abgelehnt wird. Ein erpresserisches Manöver, das die Mieterbewegung und die Genossenschaften spalten soll. Zu verantworten haben das die Hardliner in Schneider-Ammanns Departement. Diese Leute verstehen sich als Schutzpatrone der Immobilienlobby. Sie wollen verhindern, dass die Gemeinnützigen mehr Marktanteile erringen. Dass die Städte mehr preisgünstige Wohnungen brauchen, kümmert sie nicht im Geringsten. Nach ihrer Logik soll es der Markt allein richten. Miethöllen wie Zürich oder Genf stören sie wenig. Und Rezepte gegen die Mietpreisspirale haben sie sowieso keine. Indem der Bundesrat diese Sicht kritiklos übernimmt, setzt er sich dem Vorwurf aus, Gemeinwohl und Verfassung mit Füssen zu treten. Denn unser Grundgesetz verpflichtet den Bund ausdrücklich zu einer wirksamen Wohnförderung für breite Schichten.

Das Parlament geht auf Kollisionskurs

Auch der Mieterschutz gerät unter Druck. Die Immobilienverbände wollen unter dem Deckmantel von «praxistauglicheren Regeln» Mietzinsaufschläge erleichtern und höhere Renditen ermöglichen. Eine Kommissionsmehrheit stimmt zu, dass die Kriterien für missbräuchliche Mietzinsen und für die Berechnung der zulässigen Rendite neu bestimmt werden. Man rate, zu wessen Gunsten. Und der Gipfel: Der Mieterschutz soll künftig nur noch bei Wohnungsmangel gelten. Im gleichen Zug lehnte die Kommission eine Initiative von SMV-Präsident Carlo Sommaruga ab. Er will es den Mietenden erleichtern, sich gegen überzogene Anfangsmieten zu wehren. Da wird sonnenklar, dass es keineswegs um eine «Modernisierung» des Mietrechts geht. Sondern einzig und allein um den Abbau des Mieterschutzes.

Besonders bedenklich ist, dass die Mieterfeinde in SVP und FDP auf die Unterstützung der CVP rechnen können. Anders sind Kommissionsmehrheiten von 13 gegen 8 bzw. 13 gegen 9 Stimmen zugunsten der Vermieterlobby kaum möglich. Die Konservativen müssen sich fragen, ob sie sich mit dieser expliziten Politik gegen die Interessen der Mietenden nicht selbst das Grab schaufeln. In den Städten verlieren sie ja andauernd Wählerstimmen. Das ist auch kein Wunder. Eine Umkehr zu einer mieterfreundlichen Politik könnte der selbsternannten Mittepartei neuen Schwung verschaffen. Doch davon ist bis jetzt leider nichts zu spüren.