19.04.2018
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Johann Schneider-Ammanns dickes Ei

Der Bundesrat lehnt die Wohninitiative ab. Der Bundesrat? Nein, Johann Schneider-Ammann.

Hat unser Wirtschaftsminister je etwas für die Mietenden getan? Kaum. Interessiert er sich überhaupt für die Lage der Mietenden? Nein. Besteht Hoffnung, dass sich das noch ändert? Nein. Johann Schneider-Ammann (FDP) ist aus Sicht der Mietenden ein hoffnungsloser Fall. Leider ist keine andere Diagnose möglich. Und kurz vor dem Ende seiner Amtszeit legt er den Mietenden noch ein dickes Ei. Das lässt ihn vollends als einen Bundesrat in die Geschichte eingehen, der ums Wohl der Wirtschaft besorgt war. Aber nicht ums Wohl der Menschen. Das dicke Ei sieht so aus: Auf seinen Antrag hin lehnt der Bundesrat die Wohninitiative des Schweizerischen Mieterinnen- und Mieterverbands (SMV) ab. Das hat er bereits angekündigt und ist keine Überraschung. Die Argumente sind ideologisch begründet. Die Wohninitiative sei nicht marktkonform und auch nicht realistisch, steht in der Botschaft. Zur Erinnerung: Das Volksbegehren verlangt, dass 10 Prozent der jährlich neu erstellten Wohnungen günstig sein sollen. Das heisst von Bauträgern erstellt, die gemeinnützig und nicht gewinnorientiert sind. Damit die Mietenden endlich profitieren. Die Initiative knüpft somit an beste schweizerische Traditionen an. Nämlich an die genossenschaftliche Tradition, die das Gemeinwohl über das Gewinnstreben Einzelner stellt.

Die hat Johann Schneider-Ammann offenbar vergessen. Oder gar nie zur Kenntnis genommen. Seine Sicht vom Markt ist mehr als einäugig: Da gibt es nur Private, keine Genossenschaften oder gemeinnützigen Stiftungen, die der Mietpreisspirale mit vernünftigen Mieten trotzen. Auch keine sozial gesinnten Vermieter, die sich an die Kostenmiete halten und auf übertriebene Renditen verzichten. Johann Schneider-Ammanns Markt ist rein neoliberal statt sozial. Und apropos «nicht realistisch»: Die von Horrormieten geplagte Metropole Zürich baut auf Geheiss des Stimmvolks den Anteil der bezahlbaren Wohnungen auf 30 Prozent aus. Also wäre auch ein Anteil von 10 Prozent günstigen neuen Wohnungen, wie ihn die Initiative verlangt, sehr wohl machbar. Man muss es nur wollen. Johann Schneider-Ammann aber will nicht.

Töngi: «Das ist reine Erpressung!»

Und jetzt kommt das Ei. Die Darlehen des Bundes für den genossenschaftlichen Wohnbau laufen aus. Ein neuer Kredit ist fällig. Eigentlich eine Routinesache. Doch Johann Schneider-Ammann will diesen Kredit nur in Kraft treten lassen, wenn die Wohninitiative verworfen wird. Ex-SMV-Generalsekretär Michael Töngi sagt zu Recht: «Das ist reine Erpressung! » Ist Johann Schneider-Ammann ein Erpresser? So weit wollen wir nicht gehen, denn das tönt nach Kriminalität. Aber er ist ein Spalter. Er versucht mit diesem Manöver, einen Keil zwischen die Mieterund die Genossenschaftsbewegung zu treiben. Das ist übel und ein Affront, der die Handschrift seines Generalsekretariats trägt. Dort werden solch hinterlistige Pläne ausgeheckt. Das Parlament muss diese Machenschaft korrigieren. Und wenn es das wegen der mieterfeindlichen Mehrheit nicht tut, muss es das Volk an der Urne tun.

Kein Raubbau am Mietrecht!

Claudia Friedl, <br/>Präsidentin Hausverein Schweiz
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Claudia Friedl,
Präsidentin Hausverein Schweiz

Im Bundeshaus wird derzeit eine massive Kampagne zur Aushöhlung der Mieterinnen- und Mieterrechte gefahren. Nicht weniger als acht parlamentarische Vorstösse zum Thema sind hängig. Angeführt wird der Feldzug vom Hauseigentümerverband. Der Hausverein Schweiz lehnt diesen Raubbau am Mietrecht klar ab.

Unter Titeln wie etwa «Für Treu und Glauben im Mietrecht » agitiert der HEV – mit Schützenhilfe von rechts bis in die politische Mitte – für die Abschaffung der Mieterrechte. Die Palette der Angriffe ist breit und geht über Einschränkungen beim Anfechten des Anfangsmietzinses bis hin zur Beschneidung der Untermieterrechte. Die Richtung ist immer die gleiche: weniger Rechte für die Mietenden. Den letzten Coup hat der Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod lanciert: Er fordert, dass Mieten nur noch in Frage gestellt werden können, wenn Wohnungsmangel besteht. In allen anderen Landesregionen hiesse es: Der Markt soll’s richten. Wieweit der dazu in der Lage ist, wissen wir hinlänglich. Der Antrieb ist klar: Der HEV will seiner Klientel richtig gut Geld ins Portemonnaie spülen. Mieterinnen und Mieter sollen mit ständig steigenden Marktmieten dafür sorgen. Obwohl bereits heute – gemäss einer Erhebung der Raiffeisenbank – die Mieten rund 40% zu hoch sind.

Das Credo des Hausvereins ist ein anderes: Wir wollen nicht die «komplette Vertragsfreiheit» wie unser Kontrahent, sondern faire und gutnachbarschaftliche Mietverhältnisse. Auch unsere Vermieterinnen und Vermieter sollen einen anständigen Preis für ihre Objekte erhalten. Dafür setzen wir uns ein. Zwischen diesem Anspruch und dem ebenso uferlosen wie unverschämten Renditedenken der HEV-Lobby liegen jedoch Welten. Wir wollen vermieten – nicht abzocken. Die Vertreterinnen und Vertreter des Hausvereins im Bundeshaus werden die Vorstösse zur Aushöhlung des Mieterschutzes unter diesen Vorzeichen bekämpfen. Das Mietwesen ist gleichsam eine Sozialpartnerschaft. Und in einer solchen sollen sich beide Parteien auf Augenhöhe begegnen, ohne dass eine Seite über den Tisch gezogen wird.

Ein Gastkommentar von Claudia Friedl, Präsidentin Hausverein Schweiz,
SP-Nationalrätin

Dieser Artikel erschien im M+W Nr. 2 vom April 2018. Text: Ralph Hug