06.06.2014
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M+W

Gerade diese Sanierung muss sozialverträglich sein

Im Fall der brutalen Leerkündigung in Gerlafingen wird es im Juni zu einer Schlichtungsverhandlung kommen

Rund 50 Haushalte in Gerlafingens Quartier mit dem Spitznamen «Klein-Istanbul» müssen ausziehen, weil die alten Blöcke saniert werden (siehe Reportage im letzten M&W). Das stürzt viele Betroffene in grosse Probleme. Praktisch alle sind türkische oder italienische Migranten. Ganze Familien und Verwandte, die einander nachbarschaftlich unterstützen und ein wirksames soziales Netz bilden, drohen auseinandergerissen zu werden. Wie niemand sonst sind sie auf preiswerten Wohnraum angewiesen. Derart günstige Unterkünfte werden sie nicht mehr finden.  

Noch niemand hat neue Bleibe gefunden

Insgesamt 26 Partien haben die Kündigungen mit Unterstützung des MV Solothurn angefochten. Nach Angaben von Rechtsanwältin Clivia Wullimann wird Ende Juni eine Schlichtungsverhandlung stattfinden. Die MV-Vertrauensanwältin ist zuversichtlich, dass sie für die Betroffenen etwas herausholen kann, mindestens eine längere Mieterstreckung unter Hinweis auf die Härtefallsituation. Sie sieht aber grosse Probleme: «Die Familien werden sich die neuen Mieten nach der Sanierung kaum leisten können. Da könnten sie geradesogut in  Solothurn eine Wohnung suchen», sagt sie. Nach ihren Angaben hat bisher kaum jemand eine neue Bleibe gefunden. 

Die Gemeinde muss handeln

Clivia Wullimann vermisst ein grösseres Engagement der Gemeinde Gerlafingen zu Gunsten der betroffenen Mieter. Wenn die Gekündigten nicht in der Lage seien, wesentlich höhere Mieten zu bezahlen, dann müssten diese Sozialhilfe in Anspruch nehmen. So sei auch die Gemeinde vom Sanierungsprojekt betroffen, und sie habe ein Interesse daran, dass massvoll mit entsprechend moderaten Mieten umgebaut werde. Es sei unwahrscheinlich, dass kapitalkräftigere Leute in dieses Quartier einziehen wollten. Daher müsse die Gemeinde darauf einwirken, dass die Renovation sozialverträglich ausfalle, so die Rechtsanwältin.

Replik: «Sanierungen wichtige für den Werthalt»

Der Inhaber der Firma Narva Properties AG, Christopher Lilliefelth, reagiert auf den M&W-Bericht über die Massenkündigungen in Gerlafingen mit einer Replik. Wir geben sie hier wörtlich wieder:

«Sanierungen sind wichtig für den Werterhalt von unseren Bauten in der Schweiz. Wir glauben fest daran, dass alle davon einen Nutzen tragen. Älteren Wohngebäuden frisches Leben zu verleihen, bedeutet auch, dass weitere Generationen kostengünstig wohnen können. Die Wohnanlage in Gerlafingen wurde 1952 errichtet, und seit dieser Zeit, abgesehen von einer Erneuerung der Fenster und Heizungen, wurden keine weiteren Sanierungsmassnahmen vorgenommen. Dass eine Sanierung der Aussenfassade und insbesondere der Inneneinrichtung mit den sanitären Anlagen nach 60 Jahren notwendig ist, mit Anpassung an einen zeitgemässen Standard, sollte niemand überraschen. Eine Sanierung der Wohnanlage ist auch im Interesse der Gemeinde Gerlafingen und insbesondere der Bewohner. Leider sind im Rahmen einer derartigen Saierung Kündigungen der Mietverhältnisse unvermeidbar. Ein Wiedereinzug wird aber nach der Sanierung zu den ortsüblichen Mietpreisen möglich sein.»  Christopher Lilliefelth