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Illustration: Patric Sandri

Viele Mieter*innen scheuen sich, bei Knatsch mit der Vermieterschaft zur Mietschlichtungsbehörde zu gehen. Doch das Unbehagen ist oft unbegründet. 

Sichtlich angespannt sitzt die Mieterin Ruth Häberli im Verhandlungssaal der Mietschlichtungsbehörde Berner Jura-Seeland. Diese ist eine von vier Schlichtungsbehörden im Kanton Bern und örtlich für das Verfahren von Ruth Häberli zuständig, die in Erlach wohnt. 

«Ich begrüsse Sie zur heutigen Schlichtungsverhandlung», eröffnet die Frau in der Mitte die Verhandlung. «Zu meiner Linken sitzt Fachrichterin Huber, zu meiner Rechten Fachrichterin Jaggi. Das Protokoll verfasst Herr Meier. Mein Name ist Stucki, ich bin die Vorsitzende und für dieses Verfahren zuständig.» 

Paritätische Schlichtungsbehörde 

Dass so viele Personen an der Verhandlung anwesend sind, überrascht Häberli. Der Grund dafür ist, dass die Schlichtungsbehörde paritätisch zusammengesetzt ist. An jeder Verhandlung wirkt je ein*e Fachrichter*in aus dem Kreis des Mieterinnen- und Mieterverbands sowie vonseiten des Hauseigentümerverbands mit. So wird sichergestellt, dass Mieter*innen und Vermieter*innen gleichermassen vertreten sind und dass die Fälle unter juristischen Gesichtspunkten und unter Einbezug von Fachwissen und Erfahrung im Mietwesen der betroffenen Region beurteilt werden. 

Die Fachrichter*innen dürfen den Parteien bei der Verhandlung Fragen stellen. Oft hören sie aber nur aufmerksam zu. Ihr Einsatz erfolgt erst später hinter verschlossenen Türen, wenn sich die Schlichtungsbehörde zur Beratung zurückzieht. Obwohl sie die Sicht ihrer jeweiligen Seite ins Verfahren einbringen, fungieren sie nicht als Anwält*innen. Fachrichter*innen müssen objektiv bleiben und sind nur ihrem Gewissen und Fachwissen verpflichtet. Geleitet wird das Verfahren von einer neutralen vorsitzenden Person. 

Obligatorischer Schlichtungsversuch 

Wollen Mieter*innen einen Anspruch gegenüber der Vermieterschaft auf dem Rechtsweg geltend machen, müssen sie in den meisten Fällen zuerst an einem Schlichtungsversuch vor der Schlichtungsbehörde teilnehmen. Dasselbe gilt umgekehrt, wenn die Vermieterschaft rechtlich gegen die Mieterschaft vorgehen will. In diesem niederschwelligen und kostenlosen Verfahren wird versucht, die Streitenden in einem frühen Stadium vor einem aufwändigen und teuren Prozess zu bewahren. Das Schlichtungsverfahren trägt zum sozialen Frieden bei und entlastet gleichzeitig die Gerichte. Diese kommen erst dann zum Zug, wenn keine Aussöhnung zwischen den Parteien möglich ist. 

Einleitung des Verfahrens 

Ruth Häberli hat seit längerem Schimmel in ihrem Schlafzimmer, ihr Vermieter hat bis heute nichts dagegen unternommen. Nachdem sie den Mietzins bei der Schlichtungsbehörde fristgerecht und unter Beachtung sämtlicher Formalitäten korrekt hinterlegt hatte, schickte sie der Schlichtungsbehörde ein schriftliches Schlichtungsgesuch, zusammen mit Kopien des Mietvertrags, des bisherigen Schriftverkehrs sowie Fotos. Sie hätte auch persönlich bei der Schlichtungsbehörde vorbeigehen und das Gesuch mündlich zu Protokoll geben können. 

Im Schlichtungsgesuch musste Häberli die Gegenpartei, das Rechtsbegehren und den Streitwert angeben. Das Rechtsbegehren und der Streitwert geben Auskunft darüber, was die gesuchstellende Person überhaupt von der Gegenpartei will. Häberli will konkret, dass ihr Vermieter den Schimmel endlich beseitigt und ihr eine angemessene Mietzinsreduktion bezahlt. Beides kann sie später anlässlich der Schlichtungsverhandlung immer noch präzisieren oder ergänzen. 

@Efeu

Persönliches Erscheinen 

Da bei der Schlichtungsverhandlung wenn möglich eine gütliche Einigung – im Fachjargon «Vergleich» genannt – abgeschlossen werden soll, müssen die Verfahrensbeteiligten persönlich erscheinen. Beide Parteien können sich aber von einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen. Die Vermieterschaft kann sich ausserdem durch die Verwaltung vertreten lassen, sofern diese zum Abschluss eines Vergleichs bevollmächtigt ist. Ausnahmen vom persönlichen Erscheinen sind ein ausserkantonaler oder ausländischer Wohnsitz, eine Krankheit oder andere wichtige Gründe. 

Ablauf des Verfahrens 

Nach Bekanntgabe der Zusammensetzung der Schlichtungsbehörde fordert die Vorsitzende Häberli auf, ihre Rechtsbegehren zu bestätigen und ihre Standpunkte darzulegen. Im Anschluss an Häberlis kurzen Vortrag kommt auch der Vermieter zu Wort. Danach dürfen die Fachrichter*innen ihre Fragen stellen. Nachdem der Sachverhalt für sämtliche Anwesenden klar ist, werden Häberli und ihr Vermieter nach draussen geschickt, damit die Schlichtungsbehörde den Fall besprechen kann. Nach zehn Minuten werden die beiden wieder in den Saal gebeten. Die Vorsitzende präsentiert ihnen einen Lösungsvorschlag: Der Vermieter soll sich verpflichten, den Schimmel fachmännisch beseitigen zu lassen, und Häberli eine einmalige Mietzinsreduktion im Umfang von 150 Franken bezahlen. Häberli erscheint die Mietzinsreduktion zwar ein wenig dürftig, doch sie ist mit dem Vorschlag einverstanden. Auch der Vermieter ist einsichtig und stimmt zu. Der Vergleich wird schriftlich festgehalten und von beiden Parteien unterzeichnet. Damit gibt es an der Einigung nichts mehr zu rütteln und das Verfahren ist beendet. 

Alternativen bei Uneinigkeit 

Hätte sich Häberli nicht mit ihrem Vermieter einigen können, so hätte ihr die Schlichtungsbehörde wohl die sogenannte Klagebewilligung erteilt. Diese wird im Regelfall der klagenden Partei ausgestellt. Häberli hätte darauf innert dreissig Tagen eine Klage beim Gericht einreichen müssen, wenn sie an ihrer Forderung hätte festhalten wollen. 

In gesetzlich speziell vorgesehenen Fällen kann die Schlichtungsbehörde den Parteien auch einen Urteilsvorschlag unterbreiten. Wird dieser innert zwanzig Tagen von keiner Partei abgelehnt, so wird er rechtskräftig. Andernfalls stellt die Schlichtungsbehörde eine Klagebewilligung aus. Bei Verfahren über eine Mietzinshinterlegung oder den Mietzins, bei Kündigung und Erstreckung des Mietverhältnisses erhält jeweils diejenige Partei die Klagebewilligung, die den Urteilsvorschlag abgelehnt hat. In den übrigen Fällen wird sie hingegen derjenigen Partei erteilt, die das Schlichtungsgesuch bei der Schlichtungsbehörde eingereicht hat. Bei einem Streitwert bis 2000 Franken kann die klagende Partei beantragen, dass die Schlichtungsbehörde einen Entscheid fällt. Die Schlichtungsbehörde ist jedoch frei, trotz dem Antrag eine Klagebewilligung auszustellen oder den Parteien einen Urteilsvorschlag zu unterbreiten. 

Autor: Fabian Gloor