04.05.2015
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Mietzinsbremse: Ein Modell auch für die Schweiz?

Deutschland führt die Mietpreisbremse gegen überrissene Aufschläge ein. Einige Bundesländer wollen sie schnell anwenden.

Folgendes Gedankenspiel: Der Bundesrat ist beunruhigt über die trotz den tiefen Zinsen ständig steigenden Mieten. Er will wirksame Massnahmen ergreifen und orientiert sich am Nachbar Deutschland mit der so genannten «Mietpreisbremse». Ein ähnliches Modell soll auch bei uns gelten: Die Kantone erhalten die Kompetenz, in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt eine Begrenzung der Mietaufschläge einzuführen. Keine Miete darf höher liegen als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Preisbremse setzte bei Neu- und Wiedervermietungen an

Die Einschränkung gilt vorerst für fünf Jahre. Kann ja sein, dass sich der Wohnungsmarkt wieder entspannt und die Regelung überflüssig wird. Ausserdem gilt die Bremse nur für Neu- und Wiedervermietungen, wo die grössten Preissprünge stattfinden. Ausgenommen sind Wohnungen, die erst in den letzten sechs Monaten gebaut wurden. Der Bundesrat will Investitionen im Wohnungsbau nicht dadurch lähmen, dass die Mieten im Voraus gedeckelt sind. 

Eine weitere Ausnahme soll für umfassend sanierte Wohnungen gelten, die erstmals neu vermietet werden. Im Sinne der Energiewende will der Bundesrat die Erneuerung von Liegenschaften nicht behindern. Voraussetzung ist aber, dass der Besitzer mindestens einen Drittel der Kosten investiert, die ihn ein Neubau gekostet hätte. Leerkündigungen mit nachfolgenden Pinselrenovationen und hohen Aufschlägen sollen nicht von der Mietpreisbremse ausgenommen werden.

Nehmen wir weiter an, auch das Parlament will etwas für die Mieter tun – nachdem schon Banken mit Milliarden gerettet und Steuern für die Unternehmen gesenkt wurden. Es billigt das Projekt gegen die Stimmen der Rechten. Nachdem der Hauseigentümerverband die Referendumsabstimmung dank einer fulminanten Kampagne des SMV verloren hat, kann die Bremse ab Mitte 2016 wirken. Allerdings müssen die Kantone noch die fraglichen Gebiete bestimmen. Sie tun das vorausschauend. Und so gilt die Mietpreisbremse bald in Städten wie Zürich, Genf, Basel und Bern sowie in Boomgebieten wie Zug und Lausanne. Hingegen gibt es im Rheintal, im Entlebuch oder anderen eher ländlichen Gebieten wie bisher keine Einschränkung für Vermieter. Dort gilt weiterhin das normale Mietrecht.

Deutsche Bundesländer wollen Mietzinsbremse schnell anwenden

Dies ist genau die Lösung, welche die Grosse Koalition aus SPD und CDU/CSU Anfang März nach längerer Debatte für Deutschland beschlossen hat. Der zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte bei der Verabschiedung im Bundestag zu dieser Mietreform: «Das ist, finde ich, ein grosser Fortschritt.» Die Inkraftsetzung ist auf den kommenden Juni festgelegt. Maas rechnet mit rund fünf Millionen Wohnungen, bei denen die Bremse wirken soll. Mehrere Bundesländer haben angekündigt, dass sie das neue Instrument schnell anwenden werden, so Baden-Württemberg, Bayern und vor allem Berlin. Die Hauptstadt will den «Mietendeckel» flächendeckend einführen, da der Wohnungsmarkt in der ganzen Stadt angespannt ist. Allgemein soll die Bremse in Ballungsgebieten wie Frankfurt, München, Hamburg oder Köln sowie in Uni-Städten mit Wohnungsmangel zur Anwendung kommen. 

Wäre die Mietpreisbremse auch ein Modell für die Schweiz? Die drohende Mietexplosion in den Hotspots, überrissene Aufschläge nach Sanierungen oder profitorientierte Leerkündigungen werden auch hier zum Problem. Das sachliche Haupthindernis besteht in den fehlenden Mietspiegeln. Ohne diese kann keine Vergleichsmiete und damit die Höhe des zulässigen Aufschlags bestimmt werden. Einige Städte wie Basel oder Genf haben bereits Statistiken über die Wohnungspreise, auch wenn sie mangelhaft sind. Statistiken müssten zumindest für die Problemzonen vorhanden sein. Machbar wäre dies. In einem Land, in dem jede Geiss und jede Kuh registriert ist, kann auch Transparenz über die Mieten hergestellt werden. Es ist nur eine Frage des politischen Willens.

Mit den mit Abstand höchsten Mieten in Europa, scheint eine Diskussion über die Begrenzung von Mieten in der Schweiz dringend notwendig. Warum also nicht einmal vom Nachbarn lernen? Die deutsche Mietpreisbremse könnte ein produktiver Anstoss sein.

Was die Kritiker zur Mietpreisbremse sagen

Die deutsche Mietpreisbremse hat, wie jedes Reformprojekt, Kritiker auf den Plan gerufen. Und zwar von links und rechts. Die Rechte moniert, dass die Bremse nichts nütze und sogar schaden werde. Diese Kritik ist vom Gedanken geleitet, dass es nur schlecht kommt, wenn der Staat in den Markt eingreift. Dabei wird immer verkannt, dass der Markt auf staatliche Regulierungen angewiesen ist, damit er überhaupt funktionieren kann. Sodann müssen die ungenauen Mietstatistiken herhalten: Die Mietspiegel, die es für die Bestimmung der Vergleichsmiete braucht, bildeten die Realität nur ungenügend ab. Diese Kritik trifft teilweise zu. Daher arbeiten viele Städte an der Behebung des Mangels. Sie sind bestrebt, die statistischen Grundlagen zum Wohnungsmarkt zu verbessern. 

«Herausgekommen ist nur eine Handbremse», bemängelt anderseits die Abgeordnete Caren Lay von der Linkspartei. Die Reform lasse zu viele Ausnahmen zu und gelte nicht für Neubauten. Selbstverständlich unterstützt der Deutsche Mieterbund (DMB) das Projekt: «Heute ist ein guter Tag für die Mieter», sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten am Tag der Verabschiedung. Allerdings hätte sich der DMB eine flächendeckende Anwendung der Bremse gewünscht. Diese dürfe nicht vom politischen Willen von Landesregierungen abhängen.