16.12.2014
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Die «Ära Thanei» geht zu Ende

Anita Thanei tritt als Präsidentin des MVD zurück. Mit ihr geht eine Ära zu Ende. Jüngere Kräfte stossen nach.

26 Jahre lang war die Zürcher Rechtsanwältin und SP-Politikerin Anita Thanei (59) für die Mieterbewegung tätig. Zuerst als Rechtsberaterin, dann als Vorstandsmitglied und schliessch zehn Jahre lang als Präsidentin. Anfang November wurde sie aus ihrem Amt an der Spitze des Mieterinnen- und Mieterverbands Deutschschweiz (MVD) verabschiedet. Sie wird aber weiterhin für die Mieterrechte einstehen. «Ich bleibe Anwältin und werde weiterhin Mietende vor Gericht vertreten», sagt sie.

Anita Thanei war seit zehn Jahren das Gesicht des Verbands

Präsidentenwechsel beim MVD: Balthasar Glättli löst Anita Thanei ab.
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Präsidentenwechsel beim MVD: Balthasar Glättli löst Anita Thanei ab.

Mit dem Rücktritt geht im Mieterverband eine Ära zu Ende. Seit ihrem Amtsantritt als Präsidentin im Jahr 2004 war sie das Gesicht des Verbands. In zahllosen Auftritten in den Medien und in der Öffentlichkeit vertrat sie die Mieterpositionen, forderte Verbesserungen der Rechtsstellung ein oder trat gegen drohende Verschlechterungen an. Dies fiel ihr leicht, wählten sie die Zürcherinnen und Zürcher doch vier Mal in den Nationalrat. Insgesamt 16 Jahre, von 1995 bis 2011, sass sie im Parlament, wo sie die Miet- und Arbeitsrechtsfragen zum Schwerpunkt ihrer Arbeit machte. 

Während dieser Zeit wuchs und professionalisierte sich die Mieterbewegung stark. Mit gegen 200'000 Mitgliedern zählt sie heute zu den bedeutenden Playern im Land. In einem gewissen Gegensatz zu dieser Stärke stehen die eher bescheidenen Fortschritte, die sich im Mietrecht erzielen liessen. Insbesondere im Vergleich zum benachbarten Ausland stehen Schweizer Mietende immer noch schlechter da. Sie zahlen die höchsten Mieten in Europa und haben den geringsten Schutz vor Kündigung. Vom liberalen Mietrecht profitieren in erster Linie die Eigentümer und Vermieter.

Als wohl grösster Erfolg in der «Ära Thanei» darf das Scheitern der Marktmiete bezeichnet werden. Im Liberalisierungwahn der 1990er-Jahre sollten auch die Mieten dem Markt überlassen werden. Mit unabsehbaren Folgen für die Bevölkerung. Das konnte die Mieterbewegung mit Erfolg vereiteln. Anderseits gelang es nicht, die Mieten vom Hypozins abzukoppeln und so den permanenten Mietanstieg zu bremsen. Auch die in den eigenen Reihen umstrittene Indexmiete erlitt im Jahr 2007 im Parlament Schiffbruch. 

Mit Anita Thaneis Rücktritt ist ein personeller Umbruch verbunden. Der Zürcher Nationalrat Balthasar Glättli (42) rückt als jüngere Kraft nach. Erstmals wechselt das Präsidium von der SP zu den Grünen. Bereits zurückgetreten sind in jüngster Vergangenheit langjährige MV-Exponenten wie Armin Jans, Regula Mühlebach, Peter Macher oder Jakob Trümpy, die den Deutschschweizer Verband geprägt haben. Mit Thanei traten auch der Basler Mietrechtsspezialist Andreas Béguin sowie der Luzerner Energiefachmann Beat Züsli zurück. Einziges noch langjähriges Vorstandsmitglied ist der Berner Anwalt Richard Püntener, wie Thanei eine graue Eminenz des Mietrechts. 

Die aktuellen Mitglieder des Verbands gehören allesamt einer jüngeren Generation an. Das traditionell grosse Gewicht von Juristen in der Führung beibt zwar weiterhin bestehen, aber es ist doch durch den neuen Präsidenten abgemildert. Als Germanist und IT-Spezialist wird Gättli neue Akzente setzen. Der MVD geht somit verjüngt und aufgefrischt in die Zukunft. Dies unter veränderten Verhältnissen, denn der Verband hat nicht mehr dieselbe Bedeutung wie früher. Seit der Strukturreform von 2012 haben sich die Gewichte verschoben. Der von Marina Carobbio präsidierte Dachverband SMV wurde aufgewertet. Er ist seither für die Verbandspolitik zuständig. Dem MVD obliegt die Betreuung der Infrastruktur, der zentralen Dienstleistungen und der Kommunikation mit der erneuerten Webseite sowie dem M&W.