02.03.2023
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Zürich  | 
Miettipp  | 
Mängel & Schäden

Das tut weh

Weil der Vermieter den Abfluss nicht entstopfen liess, engagierte die Familie Robertson selber eine Sanitärfirma. Nicht nur wurden sie von dieser übel abgezockt, sie blieben auch noch auf der Rechnung sitzen. Um Fälle wie diesen zu verhindern, gibt es nun einen nationalen Notfalldienst, der ausschliesslich seriöse Handwerksbetriebe vermittelt.

Text: Andrea Bauer

Als an einem Donnerstag Anfang Januar im Küchentrog das Wasser nicht mehr abfliesst, ruft Mark Robertson seinen Vermieter an. Der verspricht zwar, etwas zu unternehmen, jedoch geschieht nichts. Am Wochenende und in der darauffolgenden Woche wird die Situation mit dem Abfluss zunehmend schlimmer – vor allem in der Nacht und in den frühen Morgenstunden. «Aus dem Abfluss trat eine stinkige Brühe und das Gurgeln raubte uns den Schlaf», erinnert sich Robertson. Wieder ruft er den Hausbesitzer an, doch wieder geschieht nichts. Das 6-Familien-Haus in Kilchberg, in dem die Familie Robertson seit sieben Jahren wohnt, ist schon etwas älter. Früher gehörte es einem alten Mann, nach dessen Tod ging es in den Besitz seiner beiden Kinder über, und heute kümmert sich der Sohn alleine darum. Wobei von «kümmern» nicht die Rede sein könne: «Er kassiert einzig die Miete, sonst macht er nichts», sagt Robertson. Nach einer Woche – die Situation ist für alle unerträglich geworden – entscheiden seine Frau und er deshalb, selber etwas zu unternehmen. «Meine Frau fand via Internet eine Sanitärfirma in der Nähe und die versprachen, umgehend zwei Handwerker vorbeizuschicken.»

Böse Überraschung

Als die Handwerker ankommen, will Robertson als Erstes von ihnen wissen, wie teuer die Reparatur werden würde. Die beiden wollen sich nicht festlegen. Sie müssten erst eine Kamera an einem Kabel in das Rohr hinunterlassen, um den Grad der Verschmutzung festzustellen. Als sie ihn darauf hinweisen, die Arbeit sei sofort und bar zu bezahlen, wird Mark Robertson misstrauisch und ruft seinen Vermieter an. Er sei nicht einverstanden, antwortet dieser, sie sollten die Handwerker wieder wegschicken. «Ich sagte ihm, dafür sei es jetzt zu spät, sie seien bereits mitten an der Arbeit», sagt Robertson. Dann muss er sein Kind von der Schule abholen. Als er zurückkommt, wird er schon erwartet: Seine Frau ist total aufgebracht. «Die Handwerker hatten ihre Arbeit abgeschlossen, sassen nun am Küchentisch und wollten ihr Geld: 2443 Franken, bar auf die Hand – ich hatte mit maximal 800 Franken gerechnet.» Die Rohre seien in einem äusserst schlechten Zustand, die Reparatur sehr aufwändig gewesen, so die Begründung für den überrissenen Betrag. Wieder ruft Robertson seinen Vermieter an. Der sagt, er bezahle nichts. «Die beiden
Handwerker bestanden auf einer sofortigen Bezahlung und wurden je länger, je aggressiver», erinnert sich Robertson. Die Situation sei sehr unangenehm gewesen, weshalb er die Rechnung schliesslich unterschrieben und bezahlt habe.

Achtung bei der Ersatzvornahme

Robertson fragt seinen Vermieter in den kommenden Wochen nochmals, ob er die Kosten übernehme, dieser lehnt aber kategorisch ab. Kollegen raten ihm deshalb, sich an den Mieterinnen- und Mieterverband zu wenden. Er wird Mitglied und erhält einen Beratungstermin beim Rechtsberater Daniel Decurtins. «Ich musste ihm leider mitteilen, dass sein Vermieter solch hohe Kosten nicht übernehmen muss», sagt dieser. Beim Fall der Familie Robertson handle es sich um eine sogenannte Ersatzvornahme. Sie haben einen Mangel selber beseitigt, obschon dies eigentlich Sache ihres Vermieters gewesen wäre. Grundsätzlich dürfen Mietende dies, solange sie sich dabei an drei Dinge halten: Erstens muss der Vermieterschaft zuvor schriftlich eine angemessene Frist eingeräumt werden, den Mangel selbst zu beheben. Zweitens darf es sich beim Mangel lediglich um einen «mittleren Mangel» handeln, eine kaputte Waschmaschine etwa oder eine schlecht funktionierende Heizung. Und drittens muss sich die Reparatur auf das Nötigste beschränken.

Bei der Ersatzvornahme tragen Mietende zudem eine Sorgfaltspflicht. Das bedeutet, sie müssen im Interesse der Vermieterschaft handeln – so, als müssten sie die Reparatur selber bezahlen. Hier liegt der springende Punkt, warum der Vermieter der Robertsons die Reparaturkosten nicht übernehmen muss. «Die 2443 Franken sind eindeutig viel zu viel für eine Rohrentstopfung», sagt Decurtins, «das kann der Vermieter nötigenfalls belegen, indem er eine tiefere Offerte einholt.» Zur Sorgfaltspflicht gehört aber auch, dass man nicht die erstbeste, sondern eine seriöse Firma aufbietet und im Voraus eine Offerte verlangt. Achtung: Oft erscheinen bei der Suche im Internet genau die Firmen zuoberst, die unseriös sind.

Wie man sich schützt

Die Robertsons sind leider nicht die Einzigen, die auf diese Art abgezockt wurden. Bereits 2018 gab es gemäss Decurtins eine Welle, und seit einigen Monaten mehren sich die Fälle wieder – verschiedentlich berichteten auch die Medien darüber. Wie aber kann man sich schützen? «Am besten, man verlangt von der Verwaltung eine Liste mit Nummern, die man in Notfällen jeder Art anrufen kann – ein Schlüsseldienst, eine Sanitärfirma, ein Heizungsdienst und so weiter», sagt Decurtins. Falls es keine solche Liste gibt, empfiehlt Decurtins, bei einem Notfall unbedingt zuerst die Hauswartung oder die Vermieterschaft zu kontaktieren, wenn irgendwie möglich schriftlich. Falls die Reparatur nicht warten kann und man selber eine Firma auswählen muss, solle man sorgfältig recherchieren, so Decurtins. «Nicht die erstbeste Nummer aus dem Internet anrufen und schon gar keine 0800/0900-Nummern. Da oft Wegpauschalen verrechnet werden, lokale Firmen bevorzugen. Und schliesslich unbedingt eine Offerte verlangen und darauf bestehen, per Rechnung zu bezahlen.»

So viel kostet eine Rohrentstopfung

Was die Robertsons angeht, so ist der Schaden angerichtet. Das Einzige, was sie noch tun können, ist, vor der Schlichtungsbehörde den Teil der Kosten von ihrem Vermieter zurückzuverlangen, den dieser normalerweise für eine Rohrentstopfung bezahlt hätte. Gemäss Daniel Decurtins hätten sie gute Chancen, dass ihnen dieses Geld zugesprochen würde. Gegen die Sanitärfirma vorzugehen, lohne sich dagegen kaum.

«Es war ein schockierendes Erlebnis», sagt Mark Robertson rückblickend. Es sei ihm deshalb auch ein Anliegen, dass andere nicht dasselbe erlebten wie sie. Das Auto der Sanitärfirma sieht er ab und zu noch in der Nachbarschaft. Er versucht dann jeweils, seine Nachbar*innen vor der Firma zu warnen. Wie viel eine Rohrentstopfung normalerweise kostet, steht übrigens auf der Website einer bekannten Rohrreinigungs-Firma: «Eine einfache Abfluss-Entstopfung kostet um die 300 bis 500 CHF. – Nicht mehrere 1000 Franken!!!»

Im Notfall einen seriösen Handwerksbetrieb finden

Auf gebaeudetechniker24.ch bietet der Schweizerisch-Liechtensteinische Gebäudetechnikverband (suissetec) einen nationalen Notfalldienst, der Eigentümerschaften, Verwaltungen und Mieter*innen gratis seriöse Handwerksbetriebe vermittelt.