21.06.2022
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Luzern  | 
Medienmitteilung

Besetzung Bruchstrasse 64: Der «Skandal» ist der Leerstand

Das Wohnhaus an der Bruchstrasse 64 wurde gemäss Kommuniqué der Aktivist:innen besetzt. In der Begründung für ihr Handeln verweisen die Aktivist:innen auf immer höhere Mieten und Wohnungsknappheit, während Eigentümer:innen ihren Reichtum auf Kosten der Mieter:innen weiter erhöhen. Der MV ist täglich in der Beratung mit steigenden Mieten und knappen Wohnraum konfrontiert. Die Besetzung wirft aus Sicht des MV die richtigen Fragen auf.

Stadt Luzern: Schwund des (preisgünstigen) Wohnraums

Der Wohnraum ist knapp. Aktuell liegt die Leerwohnungsziffer im Kanton Luzern gemäss lustat bei 1.23% - bei einem Wert von unter 1.5% spricht man von Wohnungsmangel. Die Leerwohnungsziffer in der Stadt Luzern lag seit mehr als 20 Jahren nie mehr über 1.5%, aktuell beträgt sie 1.1%. Dabei geht vor allem der preisgünstige Wohnraum verloren. Zwischen 2015 und 2020 sank der Anteil preisgünstiger Mietwohnungen von 16.0% auf 13.6%. Über alle Segmente hinweg steigt hingegen der Mietpreis. Zwischen dem Jahr 2000 und 2020 stieg der durchschnittliche Mietpreis pro Quadratmeter von 12.10 SFr. auf 16.60 SFr. – das ist ein Plus von 25%, weit mehr als die Löhne oder die Kaufkraft gestiegen sind. Luzern hat ein Wohnproblem – was haben Fälle wie an der Bruchstrasse 64 damit zu tun?

Kündigung wegen Totalsanierung: Ungenügende Abklärung?

Besonders störend ist, dass die Kündigung der damaligen Bewohner:innen mit der Begründung einer Totalsanierung erfolgte, die bis heute nicht stattfand. Gerichtlich geklärt wurde die Frage nach der Missbräuchlichkeit der damaligen Kündigungen nicht, die Verfahren 2018 endeten an der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht. Missbräuchlich ist eine Kündigung wegen eines Bauvorhabens, dessen Realisierung aus öffentlich-rechtlichen oder anderen Gründen unsicher oder das nicht bewilligungsfähig ist. «Da das Gebäude als erhaltenswert eingestuft ist, stellt sich die Frage, inwiefern die Realisierungschancen genügend abgeklärt wurden» So Nadja Burri, Co-Geschäftsleiterin des MV Luzern.

Leerstandsfinanzierung durch überhöhte Rendite?

Eine andere Frage stellt sich zur Finanzierung des Leerstands. Wie kommt es, dass die Eigentümerschaft sechs Wohnungen an zentraler Stelle während einer solch langen Zeit nicht vermietet und dies finanziell tragbar ist? Die gesetzlich festgelegte maximale Nettorendite beträgt momentan 3.25% auf das eingesetzte Eigenkapital. Eine kürzlich erschiene Studie des Büro BASS zeigt auf, dass viele Eigentümer:innen inzwischen Renditen von 6 oder 7 Prozent erzielen, grosse Immobiliengesellschaften erreichen sogar Renditen im zweistelligen Bereich. Deutlich höher also als andere Anlagen – und höher, als das Gesetz erlaubt. «Das Mietrecht schützt die Mieter:innen ungenügend vor zu hohen Mieten wegen überrissener Rendite. Jede und jeder einzelne Mieter:in muss zu hohe Mieten individuell einklagen. Besonders beim Anfangsmietzins raten wir, sich im Zweifelsfall an den MV zu wenden und sich bei uns beraten zu lassen.» So Nadja Burri.

Mieter:innenschutz der greift

Der Fall der Bruchstrasse 64 zeigt: Wohnpolitisch muss der Schutz vor missbräuchlichen Leerkündigungen mehr Gewicht bekommen. «Zuallererst gilt es daher, den Versuch von FDP und Mitte, den Schutz vor unnötigen Leerkündigungen aus der neuen Klima- und Energiestrategie zu streichen, zu vereiteln. Der MV wird sich aktiv für diesen Schutz in der Vorlage des Grossen Stadtrats einsetzen.» So Mario Stübi zur städtischen Abstimmung vom 25. September. Die Ausgangslage nach der Abstimmung wird zeigen, ob es weitere wohnpolitische Massnahmen zum Schutz vor unnötigen Leerkündigungen braucht.

Daneben, so Mario Stübi, gilt es, den massiven Anstieg der Mietpreise zu bremsen. «Zuviele Eigentümer:innen nutzen einen Mieter:innenwechsel für eine willkürliche Erhöhung des Mietzinses und erzielen unglaubliche Renditen. Auf der anderen Seite kämpfen immer mehr Haushalte mit den hohen Wohnkosten. Jetzt steht uns eine weitere Preissteigerung bei den Heiz- und Energiekosten bevor. Viele Leute können sich das Wohnen schlicht nicht mehr leisten. Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht mehr Kontrolle der Renditen brauchen.» So Stübi weiter.